Winninger Faustkeil
Was die Archäologen 1982 beim Ausbau des Flugplatzes fanden, ist von europaweiter Bedeutung. Konnten sie doch einen Moselquarzit bergen, der von Menschenhand bearbeitet worden war – und das vor 750.000 bis 800.000 Jahren! Das „gute Stück“ ist der Beweis, dass Frühmenschen nicht nur im Süden des Kontinentes auf Jagd gingen, sondern auch weiter nördlich an Rhein und Mosel. Heute wird der „Winninger Faustkeil“ in der Sammlung auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz gezeigt. Das Museum in Winningen kann eine Replik präsentieren.
Dr. Dr. Axel von Berg, heute Landesarchäologe von Rheinland-Pfalz, Altsteinzeit-Experte und Entdecker der Kostbarkeit.
Warum ist der „Winninger Faustkeil“ wichtig?
Der Frühmensch hat damals Afrika verlassen und ist nach heutigem Kenntnisstand über zwei Routen, über Gibraltar und über den nahen Osten bis ins heutige Europa hinein gewandert. Es war eine Menschenform, die wir als „homo heidelbergensis“ bezeichnen, praktisch eine Weiterentwicklung des „Homo erectus“ in Afrika. Man dachte, dass der Mensch sich in südlichen Regionen aufgehalten hat.Mit dem Fundplatz in Winningen haben wir den Beweis, dass der Mensch auch in den nördlichen Gebieten unterwegs war.
Haben Sie nur in Winningen Zeugnisse aus jener Zeit gefunden?
Nein, es war kein Ausnahmefall, dass der Mensch hier war. Gerade das Rhein- und Moseltal hat eine Menge solcher Fundplätze. Wir haben inzwischen rund 40 nachgewiesen. Allerdings können wir nicht von einer Besiedlung sprechen. Es waren nomadisierende Gruppen, die hier gejagt und Rastplätze hinterlassen haben. Ein weiterer großer Fundplatz aus der, sagen wir, „Winninger Zeit“ lag in Koblenz-Güls. Der „Faustkeil“ aus Winningen ist ein Moselquarzit, der vermutlich mit dem Fluss aus dem heutigen Frankreich angeschwemmt wurde. Warum haben Sie den Stein dann auf der Höhe am Flugplatz gefunden? Das verwundert sicher, ist aber erklärbar. Der Mensch, der diese Steinwerkzeuge hergestellt hat, hat das Moseltal, wie wir es heute kennen, nie gesehen. Die Mosel floss auf ca. 150 / 200 Meter Höhenlinie, also etwa dort, wo heute der Flugplatz ist. Die Mosel war ein stark mäandrierendes Tal mit Inselchen, Halbinseln, auf denen der Mensch saß und sich mit Windschirmen halbwegs schützte. Von dort setzte er seine Wanderbewegung fort. Das ist eine Zeit, in der die Magnetisierung der Erde umgedreht war. Es gab eine Umpolung. Der Nordpol war dort, wo der Südpol ist. Deshalb lassen sich die geologischen Schichten eindeutig einordnen. Der Fundhorizont lag in sandigen Schichten.
Wie konnten Sie denn das Alter so genau bestimmen?
Gerade Winningen ist interessant, weil wir damals (1982) beim Bau der Erweiterung der Startbahn des Flugplatzes Einblicke bekommen haben in die Tiefen des Sedimentes, des Flussschotters. Wir konnten deshalb die Schicht mit Spezialgeräten (paläomagnetisch) datieren und ein Alter von etwa 780.000 bis 800.000 Jahren bestimmen.
Warum hat Winningen für Ihre Forschungen große Bedeutung?
Die Steinwerkzeuge sind ganz typisch hergestellt und beschlagen. Grobe Faustkeile, angeschlagene Steine mit einer scharfen Kante für verschiedene Tätigkeiten. Winningen ist ein ganz zentraler Ort der Altsteinzeitforschung, weil wir dort einen der ältesten datierten Fundplätze des frühen Menschen in Mitteleuropa haben.“
Quelle: UhlenSpiegel – die kleine Zeitung für Winningen